Als vor fünf Jahren alles begann und ich den Menschen in meinem Bekanntenkreis
erzählte, dass ich an Depressionen leide, reagierten alle sehr geschockt. Besonders da ich „doch immer so ein fröhlicher Mensch sei“. Das stimmt. Ich bin sehr selten schlecht gelaunt gewesen,
habe ernste Themen humorvoll kommentiert und ich muss zugeben, ich bin lustig. Ich bringe Menschen gerne zum lachen und schaffe das nach eigenem Ermessen ganz gut. Seltsam also, dass ein so
fröhlicher Mensch dann an Depressionen erkrankt, oder?
Für mich war es nicht nur seltsam. Unverständlich eher. Niederschmetternd. Das war wohl
die schlimmste Erkenntnis an all dem. Dass ich so lange dachte, ich sei glücklich und dann musste ich mir eingestehen, dass ich schon eine ganze Zeit lang tief im Innern sehr, sehr traurig
war.
Aber Traurigkeit zu zu lassen bedeutet nicht, weniger fröhlich zu sein. Denn nicht die
andauernde Fröhlichkeit zählt. Qualität statt Quantität. Ich habe irgendwann aufgehört traurig zu sein. Ich hab mich immer zusammengerissen, die Arschbacken zusammengekniffen wie meine Eltern so
schön sagen. Und das machte mich aus. Ich war ein kleiner Dickkopf, habe eigentlich immer das bekommen, was ich wollte. Und ich war sogar so gut darin, dass ich es schaffte, mich selber zu
belügen und mir einzureden, dass alles schon wieder wird und ich einfach nach vorne gucken muss. Und bitte versteht mich nicht falsch, auch heutzutage reiße ich mich zusammen und bleibe positiv.
Aber nicht mehr, ohne auch tief in mich hineinzuhorchen und nachzuspüren, ob ich nicht doch auch Gründe habe, um mal traurig zu sein. Denn es geht nicht darum, immer fröhlich oder immer
tottraurig zu sein. Es geht um die Balance, um das Zulassen der Emotionen in welcher Farbe sie auch grade aus dir heraussprudeln. An diesen Punkt zu kommen hat mich nicht nur Mut, Schweiß und
Tränen gekostet sondern auch einen Teil meines früheren Ichs. Ich musste den Teil meines Ichs hinter mir lassen, der mich dazu brachte, immer nur fröhlich zu sein. Der mich ermahnte den Kopf
immerzu oben, aufrecht zu halten. Der mir zuletzt verbot zurückzuschauen und um einen Verlust zu trauern. Für mich gab es keine Vergangenheit mehr, doch daraus ergab sich eine Abwärtsspirale, die
mich auch die Gegenwart ausblenden ließ und ich nur noch existierte, um IRGENDWANN in der Zukunft glücklich sein zu können.
Zuerst fühlte es sich so an, als zerfalle meine Persönlichkeit in unzählige
Einzelteile. Etwa wie ein riesiger Eisblock, den jemand zerschmettert. Überall liegen große, kleine, kantige Stücke meiner selbst. Die Trümmer meines Lebens. 21 Jahre Charakterausbildung für die
Katz? 21 Jahre Selbstbetrug und nun völlige Ahnungslosigkeit, wer oder was ich überhaupt bin. So habe ich es gesehen.
Dank der Therapie kann ich es mittlerweile anders sehen. Ich weiß jetzt, dass ich keine
Fehler gemacht habe. Dass ich nichts falsch gemacht habe. Sondern dass meine Art mit den Problemen umzugehen immer seine Berechtigung hatte. Aber wie das so ist im Leben, man lernt nicht aus. Es
kommt eine Zeit, da passen die ge- und erlernten Verhaltensmuster nicht mehr zu den Bedürfnissen und man muss neue Wege finden, um mit sich und der Welt zurechtzukommen. Es geht nicht darum, eine
absolute Problembewältigungstaktik bereitzuhalten, sondern seinen Wünschen und Bedürfnissen Raum und Daseinsberechtigung zu geben. Und das geht leider nur, wenn man sich selbst, seinem Drachen,
zuhört. Und wenn man sich klarmacht, dass es okay ist, was man fühlt. Dass Emotionen nicht in ihrer Entstehung kontrolliert werden können und müssen.
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