Für mehr Mut zur Selbstliebe

„Wie soll dich jemals jemand lieben, wenn du dich nicht selber liebst?“

fragt der Drache.

„Wie soll ich je jemand anderen lieben, bevor ich mich nicht selbst liebe?“

erwidere ich.

 

 

Seit Jahren fällt es mir unglaublich schwer, meinen inneren Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Stimme, dich mich als Kind vor Bestrafung und falschen Entscheidungen bewahrte hat mit dem Echsenkostüm und den riesigen Pranken bekannter Weise nur schlechte Worte für mich übrig. Und das obwohl ich mich nicht hässlich finde. Dass es Menschen gibt, die bei der Schönheitsverteilung (zumindest was die Körperproportionen, eine gerade gewachsene Nase oder tolles Haar angeht) mehrmals anstanden ist für mich völlig ok. Gegen einen Körpertausch mit Kate Upton hätte ich nichts, klar. Aber ich kann und will mich überhaupt nicht beschweren. Dass ich Carbs in mich schaufeln kann ohne danach 90 Minuten auf dem Crosstrainer zu stehen entschädigt mich ein wenig. Viel ist eh genetisch bedingt und lässt sich nur in gewissem Maße ändern, einen festen Po bekommt jeder von Kniebeugen, man muss eben den inneren Schweinehund besiegen. Oder sich schön finden wie man ist. Wahre Schönheit kommt sowieso von innen. Diesen Spruch kann wohl jeder unterschreiben, der schon mal einem Exemplar Mensch begegnete, dessen Antlitz einen fast blendete, der Charakter jedoch eher einer Jauchegrube glich.
Wenn mich schlechte Zeiten überkommen, wenn der Drache laut ist und tobt und mich hasst, dann hasst er nicht mein Aussehen. Dann hasst er nicht die Dehnungsstreifen am Po, nicht die krumme Nase oder das zersauselte Haar. Dann hasst er mein Inneres. Meinen Charakter. Dann kann ich mir selbst nicht in die Augen schauen, weil ich mich selbst als abstoßend und widerlich empfinde. Weil ich dann nicht sehe, wie schön ich sein kann. Schön von innen, schön im Innern. Ich sehe dann nicht, dass ich Humor besitze, witzig bin. Oder dass ich eine Stütze für andere sein kann mit meinen Erfahrungen, mit meinen Worten. Und ganz langsam frisst sich dieser Selbsthass auf meinen Charakter nach außen. Wenn der Drache alles in mir niedergetrampelt und mit dem klebrigen Schwarz vernebelt hat, dann geht’s an das Äußere. Dann wird an den Narben rumgemeckert, die als Erinnerung an etliche OPs geblieben sind. An den kleinen Brüsten, an den nicht perfekten Zähnen. Und aus dem „so schlimm ist es gar nicht“ wird ein „bah, wie ekelhaft.“ Das ist wohl das einzige Zeitfenster, in dem ich ansatzweise nachvollziehen kann, welche Gedanken jemanden quälen, der sein Leben lang schon mit seinem Gewicht zu kämpfen hat. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich weiß, dass diese Gedanken bei mir verschwinden, sobald ich den Drachen zum Schweigen bringe kann. Wirklich, ich bin dafür so unfassbar dankbar.
In Zeiten von Photoshop und Insta-Filtern ist es eh schon schwer, ja fast unmöglich, ein gesundes Selbstwertgefühl zu haben. Dabei ist dieses Selbstwertgefühl das Allerwichtigste, nicht nur für das Individuum sondern besonders für das Zwischenmenschliche. Viele Menschen leben in Partnerschaften, die darauf basieren, sich selbst das Ego zu pushen. Krankhafte Eifersucht wird als „süß“ oder „wahre Liebe“ betitelt, obwohl sie nur ein Zeuge davon ist, dass sich der Mensch so minderbemittelt fühlt, dass er Angst hat, deswegen verlassen zu werden.
Vor ein paar Jahren war ich in einer Beziehung, in der mein Partner sich selbst richtig ätzend fand. Verschiedene Erlebnisse haben ihn an unglaublich krassen Selbstzweifeln leiden lassen. Und da wir beide es nicht besser wussten, ich um seine Liebe kämpfen wollte, habe ich versucht diese Selbstzweifel bei ihm auszugleichen. Und habe mich selbst komplett dabei vergessen. Und vor allem habe ich mich geändert, mich verbogen, nur um ihm zu gefallen. Das Ende vom Lied war ein herzzerreißendes Ende und lange Jahre Funkstille. Mit der Zeit kommt Rat und kommt Reife – auf beiden Seiten – und heute können wir ganz anders, viel sortierter mit diesen Dingen umgehen. Und freuen uns richtig, wenn wir uns sehen. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es ohne Selbstliebe auch keine aufrichtige Liebe für andere gibt. Natürlich passiert das nicht einfach so, man muss etwas daran arbeiten. Gelassener werden, die Instagrammodels als Bearbeitungsprofis sehen und wissen, dass auch eine Kate Upton mal scheiße aussehen kann, wenn der Tag lang und die Nacht zu kurz war. Schönheitsideale hat es schon immer gegeben und wird die Menschen wohl bis ans Ende ihrer Tage begleiten. Die Frage ist, ob es sich lohnt, diesen immer hinterherzulaufen.
Letztes Jahr, als der Drache aufgewacht und ausgeflippt ist, da hatte ich einen Fototermin. Ich habe mich alles andere als wohl gefühlt, vor allem da es ja von 82 Millionen sicher 80 Millionen schönere Menschen gibt als mich. Aber Tom wollte mit mir Fotos machen, er sah etwas in mir. Und als ich die Fotos von ihm bekam, da weinte ich. Denn ich hatte mich noch nie so gesehen wie auf den Fotos. So schön.
Und er bestätigte mir das, so wie eine Menge anderer Menschen, die die Fotos sahen. Natürlich kann ich mein Selbstwertgefühl nicht auf Likes stützen, aber in dieser schweren Zeit haben mir die Kommentare, die Gefällt-Mirs, dabei geholfen, meinem Drachen zu sagen „Siehste! Du magst mich für eine ätzende Kackbratze halten, aber die kleine Stimme in mir drin, die leise sagt so hässlich bin ich gar nicht! die hat Recht, nicht du!“ Dafür bin ich Tom unendlich dankbar. Dafür, dass er mir den Mut gab, mich selbst schön zu finden, selbst wenn mein Drache etwas anderes behauptet. Und er war es auch, der das eine Foto schoss, mit dem der Lachenlohntsich-Blog begann. Meinen Drachentext habe ich mit einem Foto veröffentlicht, das ich keine 30 Sekunden lang betrachten konnte. Weil es mir wie ein Spiegel aufzeigte, was in mir drinnen los ist, welchen Kampf ich da gegen mich, gegen meinen Drachen, kämpfe. Aber es war so wichtig, einmal die Eier zu haben, da drüber zu stehen, nicht auf den Drachen zu hören. Und es ist gut geworden. Nicht nur das Bild, alles. Nicht einfach so klar, ihr habt die letzten Monate einiges mitverfolgt, aber es hat mir geholfen, dem Drachen zu zeigen, dass er Unrecht hat. Und dass Schönheit unheimlich viel mit Selbstliebe zu tun hat. Und Liebe nicht ohne Selbstliebe funktioniert. Habt Mut, euch selbst zu lieben. Tut euch Gutes, macht Fotos und seid stolz drauf. Scheißt auf die Narben, auf die Streifen. Zeigt euch, lasst euch Komplimente zuwerfen. Niemand sieht jeden Tag aus wie ein Topmodel. Aber wenn ihr morgen oder übermorgen oder nächste Woche mal denkt „Oh hallo, Du Sahneschnittchen!“ dann genießt diesen Moment. Kostet ihn aus, haltet ihn fest. Spürt diesen Gedanken nach. Liebt euch selber, dann könnt ihr auch andere lieben. Und das braucht die Welt: Liebe. 

 

 

Wenn ihr Toms Fotokünste bewundern wollte könnt ihr auf seiner Instagram-Seite oder seinem Facebookprofil mal vorbeischauen :)

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Kommentare: 1
  • #1

    Rudi (Dienstag, 28 August 2018 16:42)

    1. Du bist schön.
    2. Du bist klug.
    3. Du hast Humor.
    4. Wer ist Kate Upton?