absolut gegrincht

Weihnachten steht vor der Tür. Seit ein paar Stunden umhüllt der Duft von gebrannten Mandeln, Glühwein und abscheulich großen Menschenmassen die Innenstadt. Eigentlich die ganze Stadt. Denn selbst im Randgebiet und trotz einer vielbefahrenen Straße vor der Tür zieht mir dieser süße Schwall der liebesbedürftigen Allgemeinheit in die Nase. „Wann trinken wir endlich Glühwein?“ tönt es aus meinem Smartphone. Meeeh, Glühwein. Ist gar nicht mein Ding. Heißer Kakao mit Sprit auch nicht, Entschuldigung. Aber ohne sinnesbetäubende Flüssigkeit lässt sich das Gedränge zwischen Klimbim-Hütten und Fressständen nicht wirklich aushalten. Und es ist kalt, echt kalt. Man merkt vielleicht, meine Einstellung zur Zeit ist wirklich anti-weihnachtlich. Aber der Sommer war doch auch so genial! Ich kann und will ihn nicht loslassen. schon wieder spüre ich den Drang, mich zu entschuldigen. Sorry! Aber dieser Sommer war das Beste, was mir passieren konnte. Denn nach dem letzten Herbst, vielleicht im November?, nachdem der Drache wieder laut und unbeugsam wurde und ich mich bis in den Frühling 2018 in einer Spirale aus Selbsthass und betäubendem Nichtsfühlen befand, erwärmten mir die unzähligen Sommertage dieses Jahr nicht nur die Haut sondern ganz besonders das Herz. Eine naturgegebene Metapher für mein Licht, was zurückgekehrt war und  aus mir heraus leuchten konnte. Und ich stand das erste Mal auf einer Stand-Up Comedy Bühne, zog von Köln wieder zurück in den Hasenbau und beendete einen Teil meines Studiums und so viel mehr! Ich feierte wirklich große Erfolge. Und man saß draußen, abends um 23 Uhr, in Shirt und Short, und hatte so viele Stunden am Tag, in denen das Leben ausgelassen und friedlich um einen herumtanzte. Dann konnte ich mir meine Ruhepausen ganz allein am Rheinufer nehmen. Konnte am Alten Zoll Texte schreiben, meine Gedanken in den lauen Abendwind hängen. Aber wenn die Tage kürzer und die Temperaturen niedriger werden, dann wird auch alles trist und matschig und eklig und irgendwie fühle ich mich dann auch trist und matschig und eklig. Ich weiß, dass der Drache eher aufwacht und rumstresst, wenn mir das Licht fehlt, die Sonne, die Wärme. Und deswegen bin ich wachsam. Wachsamer als ich es im Sommer vielleicht war, denn da fiel es mir leichter, mir Zeit in der Natur für mich zu nehmen. Und stundenlanges auf einer Parkbank Sitzen ist bei zweistelligen Temperaturen etwas angenehmer. Aber die Weihnachtszeit bringt nicht nur dieses Luxusproblem mit sich, auch ist es ja das Fest der Liebe. Die Zeit der Nadelbaumdeko mit goldenen Schleifen, sterngeformten Pflanzen und ganz, ganz viel Lametta. Man besinnt sich auf die Liebe, die man um sich herum spürt, auf die Menschen, die da sind und diese gefühlsgeladene Zeit miteinander teilen wollen. Müssen? Das ist ehrlicher Weise mein Hauptproblem: Ich fühle mich durch den Kitsch in den Läden, die andächtige Musik und die allgegenwärtige Werbung für das Fest der Liebe fast genötigt, mich meinen Liebsten zuzuwenden. Und das gerade in der Zeit, in der ich so viel mit mir selbst beschäftigt bin, weil ich riesigen Schiss davor habe, dass der Drache wieder vollkommen wach und hungrig auf mein Seelenleid wird. Das nervt. Mir geht es aber nicht darum, dass ich nicht will, dass alle anderen sich miteinander an Glühweinständen drängen, gemeinsame Adventstreffen veranstalten und diesem Strom aus Liebegeben und –fordern folgen. Ich kann nur kein Teil davon sein. Mir geht es nicht darum, anderen ihre Vorfreude auf Weihnachten madig zu machen. Ich habe eine riesige Familie, eines der Vorteile von Scheidungskindern. Und da stehen eine Menge Termine an, auf die ich mich freue, vor denen ich aber auch ein wenig Angst habe. Mir wird an Heiligabend und den Tagen danach nicht viel Zeit für mich und die Drachenwache bleiben. Das ist nicht schlimm, denn das ist es mir wert. Das bedeutet aber, dass ich jetzt schon anfangen muss, dafür vorzuarbeiten, dafür zu sorgen, dass der Drache vier oder fünf Tage pennt, ohne dass ich ihm dabei die Eier kraulen muss. Und das, obwohl ich liebend gerne mit vielen verschiedenen Menschen kalte, nasse Dezemberabende in Pommesfett gehüllt neben Kristallständen verbringen möchte. Weil ich weiß, dass es etwas ist, was vielen meiner Liebsten Freude macht. Und ich liebe es, anderen eine Freude zu machen. Aber nicht zwingend diesen Winter. Nächsten vielleicht. Wenn der Drache vielleicht einen richtigen Winterschlaf macht, statt nur zu dösen und im Halbschlaf noch meine Ängste riechen kann. Seid mir nicht böse, wenn ich wie der Grinch wirke. Er hasst nicht Weihnachten. Nur die Menschen und ihr wisst ja, so im Allgemeinen bin ich da bei ihm. Ausnahmen bestätigen da natürlich die Regel und wer ohne Sünde, der werfe den ersten Stein oder sowas. Aber ich habe zur Zeit einfach zu viel Angst, nicht wachsam genug sein zu können, wenn ich in der besinnlichen Zeit, mit Schweben in Liebeshymnen, nur an das Gute denken und Ängste fürs Plätzchenbacken bei Seite schieben, nicht doch lieber hier am Laptop sitze und versuche, meinem Inneren Bilder und Worte zu verleihen. Und wenn Weihnachten dann kommt, dann reiß ich mich zusammen, zieh die Zipfelmütze auf und wie im Film hat alles ein Happy End. Um darum geht’s ja gaaaanz am Ende doch: Um das Happy End.

 

 

 

 

 

 

 

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